Ereignisarmer Wahlkampf in Vorarlberg neigt sich dem Ende zu
12.09.2014 13:05
(Akt. 12.09.2014 13:29)
Im Illwerke-Zentrum in Vandans trafen die Spitzenkandidaten zur letzten großen Diskussionsrunde vor der Wahl aufeinander und demonstrierten Einigkeit – wenigstens in den großen Themen.
©VOL.AT/ Steurer
Bregenz - Rund 267.000 Vorarlberger wählen am 21. September einen neuen Landtag. Es sind 36 Mandate zu vergeben, die ÖVP hat eine absolute Mehrheit zu verteidigen.
Neun Parteien und Listen stellen sich zur Wahl, eine realistische Chance auf den Einzug in das Landesparlament haben neben den Landtagsparteien auch die erstmals antretenden NEOS.
Wallner vor der Wahl der Qual?
Die ÖVP (Landtagswahl 2009: 50,74 Prozent/20 Mandate) läuft um ihr “Leiberl”, die absolute Mehrheit, wird diese allgemeiner Einschätzung und Umfragen zufolge aber nicht halten können. FPÖ (25,12/9) und Grüne (10,58/4) wollen zulegen und sich in Position für eine Regierungsbeteiligung bringen. Die Sozialdemokraten (10,02/3) versuchen ebenfalls, stärker zu werden, wehren sich gleichzeitig aber auch gegen ein Fallen unter die Zehn-Prozent-Marke. Die NEOS dürften in der nächsten Legislaturperiode im Landtag vertreten sein, die in Vorarlberg bei der Nationalratswahl oder der EU-Wahl erreichten 13,1 Prozent bzw. 14,9 Prozent scheinen aber außer Reichweite.
Düstere Aussichten für schwarze Mehrheit
Ganz klar mit einem Verlust der Absoluten Mehrheit für die Vorarlberger ÖVP rechnen die Meinungsforscher. Es stelle sich nur die Frage, wie hoch der Verlust sein werde, sagte etwa Peter Hajek (Public Opinion Strategies).
Den Grund für das erwartbare Minus der Volkspartei sehen die Experten in der starken Konkurrenz, v.a. durch die NEOS, aber auch die Grünen.
Im Prinzip stelle sich nur eine Frage, meinte Hajek: “Wie tief fällt die ÖVP oder kann sie die 40 Prozent Grenze halten?” Auch der Polit-Berater Thomas Hofer (H&P Public Affairs) meinte, würde die ÖVP die Absolute halten, käme dies einer “kleinen Sensation” gleich.
Foto: VOL.AT/ Philipp Steurer
©Foto: VOL.AT/ Philipp Steurer
Es gehe eher darum, ob die ÖVP über der 40-Prozent-Marke bleiben könne, so Hofer. “Dramatisch wäre, unter 40 Prozent zu fallen”, und damit ein “zweistelliges Prozentpunkteminus” einzufahren (2009 erzielte die ÖVP 50,79 Prozent). Deshalb müsse es nun Aufgabe der Vorarlberger ÖVP sein, Schadensbegrenzung zu betreiben. Hofer glaubt, dass hier der Wechsel an der Bundesparteispitze von Michael Spindelegger zu Reinhold Mitterlehner helfen könnte.
Auch David Pfarrhofer (market) meint, es sei “eher nicht davon auszugehen”, dass die ÖVP die absolute Mehrheit hält. Gleichzeitig glaubt er nicht, dass sie unter 40 Prozent rutscht.
Einig sind sich die Experten darin, dass das zu erwartende Minus der ÖVP vor allem dem erstmaligen Antreten der NEOS geschuldet sein wird: Hofer sprach gegenüber der APA von einem “massiven Einflussfaktor”, gerade die NEOS würden direkt in einigen der Zielgruppen der ÖVP Stimmen holen. Auch den Grünen attestieren die Umfragen Zugewinne, und auch diese könnten auf Kosten der ÖVP gehen (2009 kam die Öko-Partei auf 10,6 Prozent, Umfragen attestieren ihr nun ein Potenzial um die 14 Prozent). “Der Kuchen wird einfach kleiner”, sagte Hajek, es sei aber auch die Frage, wie der Einstieg der NEOS gelingt.
Zwergen-Klau als humoristischer Höhepunkt
Mit dem Wahltag geht ein bis dato ereignisarmer Wahlkampf zu Ende. Die Parteien vertraten die bekannten Positionen, verbale Ausrutscher wie der “Judensager” von FPÖ-Parteichef Dieter Egger im Vorwahlgeplänkel 2009 blieben dieses Mal aus. Humoristischer Höhepunkt war der angezeigte Diebstahl von mehreren hundert Gartenzwergen der SPÖ, die die “Coolmen” genannten Plastikfiguren als ihre Werbeträger nutzen. Das war sogar der “Washington Post” einen Bericht wert.
Foto: Dietmar Stiplovsek
©Foto: Dietmar Stiplovsek
Mit Wahlplakaten hielten sich die Parteien dieses Jahr merklich zurück, nicht nur wegen der auf vier Wochen eingekürzten Aufstellfrist.
Foto: VOL.AT/ Steurer
©Foto: VOL.AT/ Philipp Steurer
Die Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts führte zu keinen öffentlich ausgetragenen Hahnenkämpfen. Während die FPÖ und die Grünen ihre neu gefundenen Zugpferde – die einer breiten Öffentlichkeit bekannten Christoph Waibel (FPÖ, Ex-ORF-Moderator) und Adi Gross (Grüne, Energieexperte) – auf sichere Listenplätze setzten, muss AK-Vizepräsidentin Manuela Auer (SPÖ) um ihren Landtagseinzug bangen.
Kulinarik zum Wahlkampfabschluss
Mit allerlei Kulinarik werden die ÖVP und die Grünen ihren jeweiligen Wahlkampfabschluss feiern. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) lädt am 17. September in seine Heimatgemeinde Frastanz , nach einer Kundgebung werden die Vorarlberger Spezialitäten Riebel und Käsespätzle serviert. Grünen-Parteichef Johannes Rauch wiederum kocht mit seiner Parteikollegin Katharina Wiesflecker am 19. September Knödel auf dem Dornbirner Marktplatz.
Wahlkampf-Abschied
Bei der SPÖ wertet man den Auftritt von Peter Kraus am Montag (15. September) im Festspielhaus in Bregenz als große Schlussveranstaltung, zum Ende der Woche wird es – wie bei der FPÖ – eine Pressekonferenz geben. Die Vorarlberger Freiheitlichen wollen auf ein Abschluss-Event verzichten, allerdings findet am 18. September ein Clubbing mit Bundesparteichef Heinz-Christian Strache statt. Die NEOS verabschieden sich am 19. September mit einer “Medienaktion” aus dem Wahlkampf.
Stichwort: Landtagswahl in Vorarlberg
Zahlen und Daten zur Vorarlberg-Wahl:
Wahlberechtigt: 267.087 (2009: 261.130)
Wahlwerbende Gruppierungen (Spitzenkandidat in Klammern):
- ÖVP (Markus Wallner)
- SPÖ (Michael Ritsch)
- FPÖ (Dieter Egger)
- Grüne (Johannes Rauch)
- NEOS (Sabine Scheffknecht)
- CPÖ Christliche Partei Österreichs (Erwin Dünser)
- Männerpartei (Hannes Hausbichler)
- Piratenpartei (Friedrich Gsellmann)
- WIR Plattform für Familien (Christoph Alton)
Wahlsystem: Verhältniswahlrecht; Vorzugsstimmen möglich
Sperrklausel: Ein Grundmandat in einem der vier Wahlbezirke oder fünf Prozent der Stimmen landesweit
Wahlkreise: 4 (ident mit den Bezirken)
Zahl der zu vergebenden Mandate: 36
Legislaturperiode: 5 Jahre
Wahlergebnis vom 20.9.2009:
Beteiligung 68,44 Prozent
- ÖVP 50,79 Prozent ( -4,13), 20 Mandate
- SPÖ 10,02 Prozent ( -6,85), 3 Mandate
- FPÖ 25,12 Prozent (+12,18), 9 Mandate
- GRÜNE 10,58 Prozent (+ 0,41), 4 Mandate
- BZÖ 1,20 Prozent, 0 Mandate
- Gsiberger 1,74 Prozent, 0 Mandate
- Kiebitz 0,19 Prozent, 0 Mandate
- WIR wir-gemeinsam.at 0,36 Prozent, 0 Mandate
Regierung:
Landeshauptmann: Markus Wallner (V – seit 9. Dezember 2011)
Regierungsmitglieder: 7 ÖVP
Regierungsbildung nach dem Mehrheitssystem
Das Bundesland Vorarlberg in Zahlen:
Fläche: 2.601,48 km2
Einwohner: 377.845 (Mitte 2014)
Administrative Einteilung: 4 Bezirke, 96 Gemeinden
Bevölkerungswachstum: +0,72 Prozent (2013, bundesweit 0,66)
Kaufkraft: 19.922 Euro (2013, bundesweit 19.970 Euro)
Arbeitslosenrate: 5,5 Prozent Juni 2014 (bundesweit 7,4)
Wirtschaftswachstum: +1,2 Prozent 2013 (bundesweit 0,4 Prozent)
Fakten, Berichte, Hintergründe zur Landtagswahl: Hier entlang bitte